Smithers, Senior Hike
Gestern fühlte sich der Tag wie eine Polarexpedition an. Minusgrade und heftiger Wind. Heute stand eine entspannte seniorengerechte Wanderung für das Alter 70+ an. Die Temperaturen waren deutlich freundlicher, denn es waren im Tal nur -10°C ohne Wind und die Sonne wärmte uns. Mein Onkel ist ein Teil einer Seniorenwandergruppe, die seit vielen Jahren sich jede Woche bei Wind und Wetter trifft. Jeder ist mal dran eine Tour von maximal 10 km rauszusuchen und anschließend gibt es ein gemeinsames Abschiedsessen.
Wir trafen uns am alten Driftwood Schoolhouse und wanderten die vereiste Telkwa High Road hinab bis fast zu Kreuzung Maney Road. Bei der heutigen Tour standen nicht die Berge oder die körperliche Herausforderung im Vordergrund, auch wenn die Aussicht über Smithers bis zu den Hudson Bay Mountains phänomenal waren, nein denn heute dominierte das Gespräch über das Leben.
Wir wussten am Anfang nicht, was uns erwartete, aber ganz schnell waren wir in verschiedenste Leben abgetaucht. Die meisten der älteren Herren sind Einwanderer aus Europa, die mit ihren Eltern nach dem 2. Weltkrieg nach Kanada gekommen sind. Sie stammen aus Italien, Irland, Österreich, Belgien, England oder der Ukraine. Meist begann das Leben sehr mühsam im Nordwesten Kanadas, aber einige sind weit gereist oder haben am anderen Ende von Kanada studiert, haben später als Arzt oder Unternehmer gearbeitet. Einige haben versucht ihre Frauen aus Europa in den rauen Norden nachzuholen, aber die Frauen sind nie wirklich in dieser abgelegenen Welt angekommen. Sie haben Kanadierinnen geheiratet und Kinder bekommen, die jetzt auch erwachsen sind, und wie so oft in einem weiten Land, weit weg wohnen. Alle lieben sie ihre Freiheit – ein Haus im Wald, den großen Pickup, ein brennendes Feuer im Kamin, der Blick über das weite offene Land, die Berge und natürlich die Jagd. Wir haben viel über die Fährten im Schnee erfahren, was man, wann, wie und wo am besten jagen kann und hörten die abenteuerlichsten Geschichten. Wir ernten Unverständnis, warum wir in Deutschland nicht einfach jagen gehen können.
Der Austausch war aber nicht nur einseitig, denn auch wir wurden mit Fragen zu unserem Leben, zur Familie, zu Europa, unserer Arbeit oder ganz wichtig unserer Meinung zur aktuell verrückten Weltlage gefragt. Wir waren nicht immer einer Meinung, aber jeder hörte dem anderen zu und akzeptierte den Standpunkt des anderen. Wir sind nur wenige Kilometer gelaufen und haben viel darüber gelernt, wie es sich anfühlen muss hier zu leben.
Am späten Nachmittag fuhren wir alle zum Haus einer der Mitwanderer und es gab ein mehrgängiges unglaublich leckeres frühes Abendessen. Was für ein wunderbarer Tag!
Leider ging die Zeit in Smithers schon wieder dem Ende entgegen. Wir besuchten noch kurz die Touristeninformation für ein paar kleine Souvenirs bevor der Abend ausklang.