Schmatzend und Klatschnass

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Tag 4: Crainlarich > Tyndrum > Bridge of Orchy (10.8 km, 3:30 h > 10.6 km, 3 h)

Aufstieg im Regen von Crainlarich. Die Berge verlieren sich im Regen.
Aufstieg im Regen von Crainlarich. Die Berge verlieren sich im Regen.

Für die nächsten beiden Tage war Dauerregen in unterschiedlichen Niederschlagsmengen angesagt. In Poncho und Regenhose verließ ich Crainlarich und stieg wieder hinauf zum WHW westlich der A82. Im Schutz des Waldes verlief der recht gut ausgebaute WHW über einen hügligen Berghang fernab der Straße. Auf halbem Wege nach Tyndrum kehrte der Weg zurück ins Tal und verließ den schützenden Wald.

Die Eisenbabnbrücke verschaffte kurz etwas Trockenheit.
Die Eisenbabnbrücke verschaffte kurz etwas Trockenheit.

Auf offenem Feld waren Regen und Wind aus allen Richtungen besonders unangenehm. Ich überquerte eine matschige Pferdekoppel und stellte mich für eine Weile in einem offenen Pferdestall unter. Der Regen wurde nicht weniger. Ich setzte meinen Weg entlang mehrerer Bauernhöfe fort und unterquerte abermals die A82. Der WHW führte nun durch Sumpfland und war selber der reinste Sumpf. Irgendwann merkte ich, dass meine Schuhe „schmatzende“ Geräusche von sich gaben. Meine Gore-Tex Schuhe waren bis zum Rand mit Wasser voll und ich war erst 2,5 h unterwegs. Das Wasser in meinen Schuhen hatte aber auch keine Chance zum Abfließen, denn Wasser war überall. Es regnete, ich lief durch ein Moor, neben mir rauschte ein Fluss und der Weg war eine sumpfige Seenlandschaft. Es gab keine Möglichkeit zu entkommen.

In Tyndrum war nur noch das Innere meines Rucksacks trocken. Ich kehrte in ein warmes gemütliches Bistro ein und bestellte mir neben einen Burger einen großen warmen Pot Kaffee. Draußen peitschte der Regen über die Straßen. Andere Wanderer kämpften sich weiter voran. Vorbeifahrende Autos wirbelten riesige Wasserfontänen auf.

Der West Highland Way aus dem warmen Bus nach Bridge of Orchy.
Der West Highland Way aus dem warmen Bus nach Bridge of Orchy.
Das West Highland Sleeper - die Wohnung des Bahnwärters.
Das West Highland Sleeper - die Wohnung des Bahnwärters.

Mir stellte sich die Frage: Weiterlaufen oder Bus? Ein letzter Blick nach draußen, machte mir die Entscheidung leicht. Ich nutzte noch die Chance in Tyndrum ein paar letzte Lebensmittel zu kaufen und stieg dann am frühen Nachmittag in den Bus nach Bridge of Orchy. An der Bushaltestelle traf ich noch zwei „klatschnasse“ Schotten mit Rucksack, Zelt und Schlafsack. Alles war nass. Die beiden wollten auch nach Bridge of Orchy, aber nicht etwa ins Hotel (170 Pfund die Nacht) oder ins Hostel, nein sie wollten zelten. Meinen Vorschlag mit ins Hostel zu kommen, lehnten sie ab. Wahnsinn! Schotten haben eine ganz andere Einstellung zum Wetter und gehen einfach raus. Müssen sie aber wahrscheinlich auch haben, denn sonst kämen sie nie raus.

Der Bus fuhr langsam durch den Regen. Hinter den Regenschleiern, konnte ich die bunten Rucksäcke anderer Wanderer sehen. Irgendwie fühlte ich mich auf der einen Seite schlecht, weil ich diese Etappe übersprungen habe, aber auf der anderen Seite wollte nicht riskieren mir bei dem Wetter massive Blasen zu laufen oder eine Erkältung einzufangen.

Züge zwischen Fort William und Glasgow sind nur selten unterwegs.
Züge zwischen Fort William und Glasgow sind nur selten unterwegs.
Auf dem Bahnsteig in Bridge of Orchy war recht wenig los.
Auf dem Bahnsteig in Bridge of Orchy war recht wenig los.
Das riesige altehrwürdige Hotel in Bridge of Orchy.
Das riesige altehrwürdige Hotel in Bridge of Orchy.
Die Brücke über den Fluss Orchy - die Zeltwiese ist auf der anderen Seite.
Die Brücke über den Fluss Orchy - die Zeltwiese ist auf der anderen Seite.

Bridge of Orchy ist wieder einer dieser Orte, die nur aus einem Hotel und einer Bahnstation (und ein paar wenigen anderen Häuser) bestehen (war in der Vergangenheit ein ehemaliger Viehtreiberstopp). Der Bus stoppte am Hotel und ich lief zur Bahnstation hinauf, denn meine Unterkunft befand sich direkt auf dem Bahnsteig und war die ehemalige Wohnung des Bahnwärters. Es gab fünf Doppelstockbetten und am aller wichtigsten einen Schuhtrockner. Wir waren zu dritt, nutzten das Gerät intensiv und hatten einen sehr entspannten Abend. Wir tranken warmen Tee, draußen regnete es weiter und ganz selten hielt ein Zug.

Stand: 08.12.2019 | Text + Bilder: Camillo | v7
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